ULRICH MILLER
"Improvisation erlaubt mir, dem Zufall auch mal
auf Augenhöhe zu begegnen".
auf Augenhöhe zu begegnen".

Geboren `67 in München, aufgewachsen im Landkreis Altötting; ein Neigschmekda, der seine Kindheit inmitten des Innviertels erlebte, die Volksschule und der Auwald um den großen Fluss herum kaum mehr als ein paar Meter entfernt. Damals. Altötting war einer der Marien-Wallfahrtsorte Europas, die virtuellen Welten noch nicht einmal virtuell und im Chemie-Dreieck wurde Silizium mit einem Reinheitsgrad von internationaler Bedeutung produziert. Draußen, beim Spielen, tranken wir Wasser aus kühlen Rinnsalen und Fische fingen wir mit der bloßen Hand. Die Kirchen waren noch voll, so sich das von außen beurteilen ließ, die Staustufen produzierten Strom und sagenhafte Strudel und aus Bauern wurden Nebenerwerbsbauern, so lange, bis die Felder ihren frisch gemähten grünen Anstrich nur noch der Touristen wegen erhielten. Die Grünen gab es noch nicht. Dafür den Eisernen Vorhang. Und, kaum weniger eisern, falls eine Kritik zu links daher wehte, die Replik "Geh doch rüber", womit nicht das nahe Österreich gemeint war. Jenes Land, dass ungeschnittene Horrorfilme in die deutschen Voralpen sendete und Jazz und Rock und Punk. Zündfunk-Land. In einer Zeit, als die Jugend wieder einmal die schlimmste aller Zeiten war, die Prügelstrafe trotzdem abgeschafft wurde und überspielte Kassetten mit Musik waren heiße Ware, jede einzelne ein Hinweis auf eine Schatzkarte, die sich nach und nach zusammen setzen würde.
Wer waren die Helden Ihrer Jugend, musikalisch?
Schlager, was so im Radio lief, eine RocknRoll-Golden-Oldies-LP meiner Eltern, Blues, New Orleans-Jazz, Beatles, Cream, Max Roach & Clifford Brown, Soft Machine, Grateful Dead, Gateway, Mahavishnu Orchestra, Coletrane, Coleman, Archie Shepp, Miroslav Vitous, Robert Wyatt, Jack De Johnette, Art Ensemble Of Chicago ... wohl recht schnell von Blues Richtung Free Jazz, so mit 11, 12. Von da aus in Richtung Rock, aber eher das jammige. Mit aktuell Zeitgenössischem dauerte es bei mir bei Rock und Pop. Wichtig am Anfang: Das die was auf ihren Instrumenten können. Auch wenn Free Jazz schon eine Antwort auf die Frage war: "Was sollen die mit dem Können anfangen? Wenn Musik ne Kunstform is, was wird denn da ausgeformt, mit all dem Können?"
Wie ging es weiter?
Na ja, mal im schweinsgalopp, mal schleppend, mal gar nicht. Wohl ne Frage der Sichtweise auch. Ob überhaupt. oder ob alles das Verhalten eines Süchtigen ist, der den Kick sucht, ganz körperlich und seine Seele dafür an alle möglichen Modelle und Ideale hängt, die einen Zugang erlauben, zum Stoff aus dem die Träume sind. Und umgekehrt.
Heißt: Vom Träumen hin zur Realität?
Ja. Eine Komponente ist ja dieser Traum von der Beherrschung des Instruments, der umkippen kann, in den Wahn, alles spielen können zu müssen und dann noch etwas mehr, um zu zeigen, dass wir Teil von etwas Fortschrittlichem sind. Irgendwann war klar, auch mir, auch Dank der Freunde, dass es Musik gab, die mit weniger Tönen recht direkt in der Lage war, eine Spannung zu produzieren, die viel besser ins Hier und Heute zu passen schien. Wenn du demonstrierst, sagst, das passt mir so nicht, dann musst du eine gewisse Bereitschaft und Energie aufbringen, gegen deine Umwelt anzugehen. Da passte Punk und Post-Punk und Indie erst mal viel besser, als das Ausbilden von Fähigkeiten, die sich vor allem erst mal vom Gewesenen ableiten. Und heute ist Rock und Pop ein Ausbildungsberuf mit Förder-Struktur und gated communities, Verwertungszusammenhang genannt.
Schlager, was so im Radio lief, eine RocknRoll-Golden-Oldies-LP meiner Eltern, Blues, New Orleans-Jazz, Beatles, Cream, Max Roach & Clifford Brown, Soft Machine, Grateful Dead, Gateway, Mahavishnu Orchestra, Coletrane, Coleman, Archie Shepp, Miroslav Vitous, Robert Wyatt, Jack De Johnette, Art Ensemble Of Chicago ... wohl recht schnell von Blues Richtung Free Jazz, so mit 11, 12. Von da aus in Richtung Rock, aber eher das jammige. Mit aktuell Zeitgenössischem dauerte es bei mir bei Rock und Pop. Wichtig am Anfang: Das die was auf ihren Instrumenten können. Auch wenn Free Jazz schon eine Antwort auf die Frage war: "Was sollen die mit dem Können anfangen? Wenn Musik ne Kunstform is, was wird denn da ausgeformt, mit all dem Können?"
Wie ging es weiter?
Na ja, mal im schweinsgalopp, mal schleppend, mal gar nicht. Wohl ne Frage der Sichtweise auch. Ob überhaupt. oder ob alles das Verhalten eines Süchtigen ist, der den Kick sucht, ganz körperlich und seine Seele dafür an alle möglichen Modelle und Ideale hängt, die einen Zugang erlauben, zum Stoff aus dem die Träume sind. Und umgekehrt.
Heißt: Vom Träumen hin zur Realität?
Ja. Eine Komponente ist ja dieser Traum von der Beherrschung des Instruments, der umkippen kann, in den Wahn, alles spielen können zu müssen und dann noch etwas mehr, um zu zeigen, dass wir Teil von etwas Fortschrittlichem sind. Irgendwann war klar, auch mir, auch Dank der Freunde, dass es Musik gab, die mit weniger Tönen recht direkt in der Lage war, eine Spannung zu produzieren, die viel besser ins Hier und Heute zu passen schien. Wenn du demonstrierst, sagst, das passt mir so nicht, dann musst du eine gewisse Bereitschaft und Energie aufbringen, gegen deine Umwelt anzugehen. Da passte Punk und Post-Punk und Indie erst mal viel besser, als das Ausbilden von Fähigkeiten, die sich vor allem erst mal vom Gewesenen ableiten. Und heute ist Rock und Pop ein Ausbildungsberuf mit Förder-Struktur und gated communities, Verwertungszusammenhang genannt.

Nach dem Abitur für ein Jahr Au Pair in der irischen Provinz. 1988 Rückkehr und Arbeit in der heimischen Industrie. Mitglied einer selbst gegründeten politischen Jugendgruppe. Praktikum bei einer Wochen-Zeitung. Beginn des Bio-Studiums und Umzug nach München. Das Wort "WG" führt meist dazu, dass am anderen Ende auflegt wird. Es ist die Zeit, als der Osten Deutschlands die Grenze öffnet. Unterkommen in einem Haus, wo alle aus Altötting sind. Die Wohnungen werden von einer Studenten-Generation zur nächsten weitergegeben; Schlagzeug-Üben ist hier fast durchgehend Tag und Nacht möglich. Der Blick aus dem Küchenfenster geht zu einer der meist befahrenen Straßen der Stadt, Schlafen bei offenem Fenster führt zu Kopfschmerzen.
Sie haben etwa mit 12 angefangen Schlagzeug zu spielen?
Ja. Ich glaube ich hatte 3-4 Jahre Unterricht. Fast parallel angefangen, mit anderen im Schulkeller und elterlichen Garagen zu jammen. Was ich an sich gar nicht mochte. Und immer noch nicht. Jammen. Uärrks. Nix gegen Marmelade. Ich mag Marmelade. Ich bin ja für die Einführung von Jahrgangsmarmeladen. Wenn wir soweit sind, nicht nur beim Wein, sondern auch bei Erdbeermarmelade zu schmecken: Ah ja, aus dieser Region, diese Hanglage, das Jahr, wir wären allgemein ein gutes Stück weiter. Aber jammen? Das hat was von gewollt, aber halbherzig.
Gab es so etwas wie eine erste richtige Formation?
Gute Frage. Manchmal frag ich mich,. ob es die schon gab. Aber als ich aus Irland zurück kam, wurde ich Teil eines typischen Indie-Trios. Gitarre & Gesang, Bass, Schlagzeug. Wir liebten Hüsker Dü, Dinosaur Jr. Probten irgendwo auf dem Acker. Ich hab die Kollegen in den Wahnsinn getrieben, mit dem Wunsch auf einen besonderen Sound. So á la 'da sind 12 zusätzliche Gitarren-Spuren auf den Platten', da muss man doch mit einer gegen anstinken. Und unbedingt deutscher Text. Wobei es auch Wahnsinn war, die Verstärker so weit aufzudrehen, dass die Schallwellen, die von den Wänden zurück kamen, körperlich spürbar und zur Herausforderung wurden. Gegen den sich sofort ausbreitenden eigenen Schatten bestehen, anspielen gegen alles, was dich drohte runter zu ziehen. Was ich heute als recht zeittypisch für die 80er sehe, mir damals aber künstlerisch so nicht klar war.
Ja. Ich glaube ich hatte 3-4 Jahre Unterricht. Fast parallel angefangen, mit anderen im Schulkeller und elterlichen Garagen zu jammen. Was ich an sich gar nicht mochte. Und immer noch nicht. Jammen. Uärrks. Nix gegen Marmelade. Ich mag Marmelade. Ich bin ja für die Einführung von Jahrgangsmarmeladen. Wenn wir soweit sind, nicht nur beim Wein, sondern auch bei Erdbeermarmelade zu schmecken: Ah ja, aus dieser Region, diese Hanglage, das Jahr, wir wären allgemein ein gutes Stück weiter. Aber jammen? Das hat was von gewollt, aber halbherzig.
Gab es so etwas wie eine erste richtige Formation?
Gute Frage. Manchmal frag ich mich,. ob es die schon gab. Aber als ich aus Irland zurück kam, wurde ich Teil eines typischen Indie-Trios. Gitarre & Gesang, Bass, Schlagzeug. Wir liebten Hüsker Dü, Dinosaur Jr. Probten irgendwo auf dem Acker. Ich hab die Kollegen in den Wahnsinn getrieben, mit dem Wunsch auf einen besonderen Sound. So á la 'da sind 12 zusätzliche Gitarren-Spuren auf den Platten', da muss man doch mit einer gegen anstinken. Und unbedingt deutscher Text. Wobei es auch Wahnsinn war, die Verstärker so weit aufzudrehen, dass die Schallwellen, die von den Wänden zurück kamen, körperlich spürbar und zur Herausforderung wurden. Gegen den sich sofort ausbreitenden eigenen Schatten bestehen, anspielen gegen alles, was dich drohte runter zu ziehen. Was ich heute als recht zeittypisch für die 80er sehe, mir damals aber künstlerisch so nicht klar war.

Während des Studiums Hilfskraft bei wissenschaftlichen Arbeiten zur Gen-Ökologie von Fledermäusen. Als gewählter StudentInnen-Vertreter Mitglied der Kommission, welche die Studienordnung neu gestalten soll. Die Fronten sind klar und werden auffällig personifiziert von einem Neurowissenschaftler und einem Genetiker. Letzterer will "Aussieben", ersterer mehr "Ganzheitlichkeit". Musik ist entweder am Wochenende dran, wenn es zum Indie-Trio in den Proberaum geht, dahoam auf dem Acker. Oder wenn in einer Münchner Proberaum-Gemeinschaft ebenfalls am eigenen Songs gebastelt wird. Der Gitarrist schwört auf U2, der Bassist auf Metallica. Zu Haus im Landkreis Organisation des 1. Dokumentarfilm-Wochenendes Burghausen, Gäste u.a. Ulrich Seidl und Michael Glawogger. In München Arbeit als Stationshelfer auf der psychiatrischen Aufnahmestation Haar, geschlossene Abteilung. Zusammen mit dem Chefarzt Gründung eines Kinos für Patienten, Schließlich Abbruch des Bio-Studiums und Arbeit beim Radio Jazz-Welle-Plus. 3. Preis der Stadt Regensburg für junge deutschsprachige Literatur 1992 und Umzug nach Leipzig, um zum Film zu kommen.
Wann ging es mit der Improvisation los?
So richtig in Leipzig. So `97 rum. Jedesmal wenn ich mit `nem Freund, einem Bassisten, versucht habe, was nachzuspielen, klang das scheiße. Also sagten wir, suchen wir halt unserer eigene musikalischen Sprache. Ich hab dann angefangen, Übungen zu entwickeln. Nach etwa zwei Jahren Keller haben wir die Formation erweitert und da stand ich dann mit meinen Übungen für freie Improvisation und Kollegen, die dem Improvisieren nicht wirklich über den Weg trauten. Zwei Physiker, zwei Maler, ein Cello spielender Sohn einer Bayreuther Wagner-Musiker-Familie und ich. Das Resultat wurde in der Gruppe schnell mal so kommentiert: "Muss der immer Peter-und-der-Wolf auf der Klarinette geben?"; "Dieses Keith-Jarrett-Gesäusel, meine Fresse..."; "Wir sind nicht bei ... wie heißen die? .. Melvins!..." . ELEKTRISCHE NACHBARSCHAFT nannten wir das. Und wurden ausgerechnet auf der Website des EUPHORIUM-Kopfes und lokalen Improv-Traditionalisten Oliver Schwerdt von einem Gastkommentatoren als "letzte in Leipzig verbliebene Free-Jazz-Kapelle" bezeichnet.
wird fortgesetzt
mehr: Ulrich Miller
So richtig in Leipzig. So `97 rum. Jedesmal wenn ich mit `nem Freund, einem Bassisten, versucht habe, was nachzuspielen, klang das scheiße. Also sagten wir, suchen wir halt unserer eigene musikalischen Sprache. Ich hab dann angefangen, Übungen zu entwickeln. Nach etwa zwei Jahren Keller haben wir die Formation erweitert und da stand ich dann mit meinen Übungen für freie Improvisation und Kollegen, die dem Improvisieren nicht wirklich über den Weg trauten. Zwei Physiker, zwei Maler, ein Cello spielender Sohn einer Bayreuther Wagner-Musiker-Familie und ich. Das Resultat wurde in der Gruppe schnell mal so kommentiert: "Muss der immer Peter-und-der-Wolf auf der Klarinette geben?"; "Dieses Keith-Jarrett-Gesäusel, meine Fresse..."; "Wir sind nicht bei ... wie heißen die? .. Melvins!..." . ELEKTRISCHE NACHBARSCHAFT nannten wir das. Und wurden ausgerechnet auf der Website des EUPHORIUM-Kopfes und lokalen Improv-Traditionalisten Oliver Schwerdt von einem Gastkommentatoren als "letzte in Leipzig verbliebene Free-Jazz-Kapelle" bezeichnet.
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